HUNTER-TOMSON
Samstag, 1. September & Sonntag 2. September 2018 | 20:00
im Theaterforum Kreuzberg, Eisenbahnstraße 21, 10997 Berlin
Karten unter 039-70071710 oder www.tfk-berlin.de
Eurythmie-Schauspiel- Projekt
Es verbindet Bewegung, Szene, Dialog, Erzählung, Musikcollage, Song und Lichtdesign zu einem 70-minütigen Bühnenstück. Im Zentrum steht der gleichnamige Text der Berliner Autorin Judith Hermann aus dem Erzählband „Sommerhaus, später“ (1998 S. Fischer Verlag).
Gezeigt werden zwei Tage aus dem Alltag von HUNTER TOMPSON, Bewohner eines verlotterten New Yorker Hotels, eines Asyls für alte Menschen, von seiner ihn inspirierenden Musik und einer unerwarteten, letzten Begegnung mit einem jungen Mädchen, die seinen Alltag auf den Kopf stellen wird, mit ungewissem Ausgang…
„Es ist ein starker Text. Ein besonderer Text. Und er ist auch entsprechend besonders umgesetzt worden von den drei Darstellerinnen: sie werden abwechselnd zur Hauptfigur, werden alt, unsicher, verändern ihre Bewegungen, ihren Ton.
Und man wird erfasst von der New Yorker Großstadt-Stimmung, wo man auch unter Millionen sehr einsam sein kann, und gleichzeitig geschützt ist in der Anonymität der City.“ (Premierenecho Hamburg/ H.H.)
„Ich fand die Melange von Schauspiel und Eurythmie ganz einzigartig, natürlich auch durch die fließenden Wechsel der Rollen, dies Durchmischen und Verschmelzen (…) erfreut und belebt und befriedigt…“ (Premierenecho Hamburg 5.11.17 / C.G. Berlin)
Das Ensemble HTM Berlin Hamburg verbindet projektbezogen die Darstellerinnen: Charlotte C.Frisch, Bettina Grube, Roswitha Meyer-Wahl die Regisseure: Kjell-Johan Häggmark (Choreografie), Bodo Bühling (Schauspiel), die Komponistin: Mela Meierhans mit der Musik-Collage*) mit Werken von Bach, Meierhans, Mozart, Satie sowie die Kostümbildnerin: Katja Nestle /onnenlinna berlin und Stephan Kraske für Lichtdesign/Soundtechnik.
Förderer des Projekts: GLS Treuhand, Verein oh-r42 e.V. berlin, Stiftung Evidenz CH, Förderstiftung Anthroposophie, Stiftung EDITH MARYON, Damus Donata e.V. sowie Private Spender*innen
*) Die Werke von Bach, Mozart, Satie sind gespielt von Laura Gallati , Klavier (Aufn. 2017), die Werke von Meierhans sind gespielt von Felix Kroll, Akkordeon (Aufn. 2017)
Aufführungsrechte beim S. Fischer Verlag Frankfurt am Main.
zum P R O G R A M M
> die ERZÄHLUNG ‚HUNTER- TOMPSON-MUSIK’
„Der Tag, an dem dann doch noch einmal etwas geschieht, ist der Freitag vor
Ostern…“ so beginnt Judith Hermanns Erzählung. Unmerklich dringen wir ein in
den scheinbar schlichten Lebensradius der Titelfigur Hunter Tompson, Bewohner
des heruntergekommenen Washington-Jefferson-Hotels, einer letzten ‚Station’, eines
‚Asyls’ für alte Menschen, die dort ihre letzten Lebensjahre und -tage fristen.
In der Zeitspanne zwischen ‚Freitag vor Ostern’ und der Osternacht gerät Hunter
durch eine nicht vorhersehbare Begegnung in eine plötzliche Unruhe von
existenzieller Dimension, ja Wucht sogar, die ihn selbst sein Liebstes, ….‚seine’
Musik ..(!), seinen einzigen Lebensstoff wegschenken lässt…
Der Schauplatz ist New York. Doch ebenso gut könnte sich die Geschichte an jedem
anderen Ort ereignen; das Altern, das allmähliche Herausfallen aus der Zeit…und
den sicheren Strukturen und Zusammenhängen, das Sterben…..aber auch das
Aufflackern von letztem Leben und Sehnsucht im Abschiednehmen…
Diese Erzählung aus dem Erstlingswerk der Autorin ›Sommerhaus, später‹ (1998)
ist ein Meisterwerk der Verdichtung, der Reduktion und Fragmentierung sowie einer
signifikanten Gebärdenhaftigkeit der ‚Figuren’ bzw. Charaktere.
> die AUTORIN
JUDITH HERMANN wurde 1970 in Berlin geboren. Ihrem Debüt ›Sommerhaus,
später‹ (S. Fischer-Verlag 1998) wurde eine außerordentliche Resonanz zuteil. 2003
folgte der Erzählungsband ›Nichts als Gespenster‹. Einzelne dieser Geschichten
wurden 2007 für das Kino verfilmt. ›Alice‹ (2009), fünf Erzählungen, wurde
international gefeiert. Zuletzt erschienen der Roman ›Aller Liebe Anfang‹ (2014) und
2016 der Erzählband ›Lettipark‹. Für ihr Werk wurde Judith Hermann mit zahlreichen
Preisen ausgezeichnet, darunter dem Kleist-Preis und dem Friedrich-
Hölderlin-Preis. Die Autorin lebt und schreibt in Berlin. www.judithhermann.de
> zur INSZENIERUNG
Perspektiven und Verwandlungen
In dieser Inszenierung hat mich die reizvolle Möglichkeit, dass drei Frauen das
Außen- und das Innenleben eines alten Mannes zeigen, fasziniert. Ob die
Vereinsamung der Hauptfigur Hunter Tompson dadurch nicht aufgeweicht wird?
habe ich mich gefragt. Doch wir alle tragen diese Vereinsamung in uns und durch
die unterschiedlichen Perspektiven der drei Darstellerinnen eröffnet sich die
Möglichkeit zu einer Verschmelzung mit diesem Aspekt des Alterns.
Im Verlaufe der Erzählung macht die Hauptfigur eine Wandlung durch.
Er ist allein.
Er offenbart seine letzte, verbliebene Lebensquelle, die Musik.
Er verschenkt gar sein Liebstes.
Innere Wandlungen entfalten sich. Sie werden zu Momenten der Verwandlung, die
wir durch den Rollentausch auf der Bühne sichtbar freigelegt und mit den
unterschiedlichen Perspektiven der drei Darstellerinnen verbunden haben.
Räume
Physische Räume: eine szenisch unsichtbare aber erzählerisch vorhandene
Architektur bestimmen die Schritte der Tage, der Nächte. Die Schritte erweitern
nicht – wie sonst – die Architektur. Mehr noch: das Washington-Jefferson-Hotel ist
ein Ort der vertrockneten Lebensräume. Auch die seelischen Räume sind zunächst
arm und voraussagbar.
Dann „geschieht … doch noch einmal etwas“. Das Hörbare dringt durch die Wände,
Musik ertönt, eine Begegnung entsteht, Hoffnung, Liebe keimen unerwartet,
unvorhersehbar auf. Neues Leben? Geistige Räume: es ist Ostern.
Bewegung und Sprache | Sprache und Bewegung
Die reizvolle Frage: wann Schauspiel und Eurythmie sich ergänzen, ablösen
und/oder gegenseitig bedienen, vor allem aber auch, wann sie sinnvollerweise
miteinander verschmelzen, wann, wo und wie Schauspiel Eurythmie wird und
Eurythmie Schauspiel hat mich, hat uns angeregt.
Kjell-Johan Häggmark, 16. Oktober 2017